Frankreich und Spanien 2025

  • Reiseidee und Planung
    Ich bin ja Passknacker und fahre gern die Punkte ab, die der Verein so vorschlägt. Fährt man alle in einem Land in einem Jahr, bekommt man eine Tafel geschenkt: Den Landespreis. Seit meinem Landespreis Spanien 2021 sind einige neue Punkte dazu gekommen. Da ich sehr gern in Spanien Motorrad fahre und gern neues entdecke, möchte ich sie jetzt fahren. In Frankreich habe ich zwar noch nie den Landespreis gemacht (und werde das wohl auch nie), aber ich fahre auch in Frankreich sehr gerne und oft Motorrad, und dort gibt es zahlreiche Punkte, wo ich noch nie war. Auf der Karte hier sind die roten Punkte die interessanten:

    Anlass zur Reise sind Rainer und Markus. Rainer wollte Ende April eine Andalusien-Tour machen (dazu lässt er sein Motorrad anliefern), und Markus im Mai eine Frankreich-Tour (er fährt auf Achse). Da könnte ich quasi drei bis vier Fliegen mit einer Klappe schlagen, und müsste nicht die ganze Zeit alleine fahren. Leider hat Rainer wegen äußerer Umstände umgeplant auf eine Deutschlandtour, da hatte ich aber schon die Begeisterung und Vorfreude für Spanien. Also starte ich alleine nach Spanien, und treffe Markus am Rückweg in Frankreich. Markus fährt zuerst alleine die Highlights ab, trifft mich dann irgendwo im Süden, und dann fahren wir gemeinsam mein restliches Passknacker-"Lebenswerk". Ich nehme mir für die Tour drei Wochen Zeit, Markus aber nur 10 Tage. Ich habe ca. 3000 km über Pässe nach Granada, mit hohem Autobahnanteil die ersten zwei Tage. Für den Teil mit Markus gilt "alles kann, nix muss". Ambitionen auf Masse oder Passknacker Rangliste (wer fährt die meisten Pässe im Jahr?) habe ich nicht. Aber schon gern die roten Punkte, wie beschrieben.

    Als Motorrad kommt meine Yamaha MT-09 SP mit dem Tracer-Tank zum Einsatz. Die ist das perfekte Motorrad für Kurvenstrecken in Spanien und Frankreich. Einzig der Anreise gibt's Minuspunkte mangels Tempomat. Ich gebe zu, ich habe einen Suchauftrag auf KTM 890 SM-T, aber bisher noch keine probe gefahren oder auch nur angeschaut. Nur für Tempomat von Japanischer Zuverlässigkeit ins Universum Orange wechseln schien mir doch übertrieben, und ich habe eigentlich auch wenig Lust, mir über Garantie, Vertragswerkstätten und sowas den Kopf zu zerbrechen. Warum sollte ich mir für solche Reisen ein Fahrzeug kaufen, bei dem ich damit rechnen muss, die Garantie zu brauchen? Da ist der Urlaub mit oder ohne Garantie ruiniert.

    Zum Wetter: Spanien besteht fast nur aus Hochland und Küste. Im Hochland gibt's ganz viel Landschaft und kurvige Strecken, dazu wenig Menschen und auch wenig Hitze. Für ein paar Orte entlang der Route entdecke ich in der Wettervorhersage Nachttemperaturen von 2 Grad. Da reicht die Biker-Badehose nicht! Der Z-Membran-Anzug kommt mit, die Regenkombi auch, den Rest regeln Heizgriffe, Sitzheizung und die Heizjacke zum Drunterziehen. Ich entscheide mich knapp gegen die Heizhandschuhe, weil sie ein übles Packmaß haben, kaum die Bedienung von Touchscreens erlauben, und weil Griffheizung, warme Handschuhe und Griffschalen eigentlich auch reichen. Die Heizjacke ist dagegen eine ganz normale Stoffjacke zwischen Baselayer und Motorradjacke, die man auch abseits vom Motorrad tragen kann. Neue Daytona Traveller-Stiefel stellen sicher, dass meine Füße trocken bleiben. Wehe wenn nicht! Für die sportliche Naked sind sie fast zu klobig, man kommt schlecht unter/auf den Schalthebel, aber die MT-09 muss man kaum schalten. Der 3. Gang reicht von 20 km/h bis 177 in Serienübersetzung, der 2. sogar von 15 km/h bis 144, da hat man aber mehr Durchzug und Power als nötig, bzw. sie möchte dann schon fast Männchen machen.

    Navigiert wird mit einer Mischung aus Google Maps, Kurviger Tourer+, OSMand auf einem Google Pixel 7 Handynavi und meinem Pixel 9 Haupthandy (zur Unterkunft, damit es abends aufgeladen ist). Und los geht’s!

  • Mo 21.04. Start in den Jura

    Heute stehen viele Kilometer an und die Wettervorhersage droht Schauer in der zweiten Tageshälfte an. Darum bin ich extra früh aufgestanden – so kann ich mal einen Schauer aussitzen, oder ggfs. umfahren. Die Sonne geht am Zielort erst um 20:34 unter, da bleibt mit Start um 8 Uhr reichlich Tageslicht. Ich fahre ja grundsätzlich nicht im Dunkeln, außer notfalls auf der Autobahn. Los geht’s also um 8 mit guter Laune und bei Sonnenschein, mit erfrischenden 8 Grad. Am heutigen Ostermontag droht eine Rückreisewelle vom Südosten in den Nordwesten, und meine Route führt zunächst nach Westen – auch da empfiehlt sich ein früher Start. So komme ich ohne Stau die A6 bis zur A5. Unterwegs verliere ich leider den Bluetooth-Empfänger für meine Kabel-Kopfhörer. Das ist aber nicht schlimm, der war nicht teuer und ich habe noch 2 Sätze Bluetooth-Kopfhörer dabei. Einen davon habe ich erst Samstag gekauft, für sagenhafte 10 Euro inkl. Versand innerhalb Deutschlands. Noise Canceling ist da natürlich Etikettenschwindel, aber auf der Naked auch bei Autobahntempo sind Musik und Podcast noch besser zu verstehe als mit Sena plus Gehörschutz.

    So geht’s mit kleinerem Ausrüstungsgefrickel und einem Tankstopp Richtung Süden. Da hat man die Wahl zwischen der deutschen A5 und der französischen A35. Ein Schauer zieht am Regenradar klar erkennbar von West nach Ost, und durch einen Wechsel der Rheinseite kann ich ihn weitgehend umfahren. Die Wolken in der Ferne sehen passen zum Regenradar und ich froh, dass ich da nicht drunter fahre. Ich trage eine Regenkombihose, aber obenrum versuche ich mal nur Membranjacke plus Heizjacke – und das klappt im Laufe des Tages wirklich gut! Keine flatternde Jacke und immer schön warm, sogar regelbar. Es bleibt auch alles dicht, nur dass sich die Sturmhaube am Hals langsam vollsaugt. Manchmal vergesse ich, dass meine IXS Motorradjacke eine Kapuze hat. Kleine Pause am französischen Rastplatz mit ganz viel Grün:

    An der ersten Mautstelle versagt bip'n'go mal wieder, aber ich kann auch mit Karte zahlen. Hier wird nur pro Durchfahrt gezahlt. An der nächste ziehe ich dann ein Ticket und bei der Ausfahrt zahle ich wieder mit Karte, sicher ist sicher. Jetzt geht’s in den Jura! Hier habe ich drei rote Punkte im Lebenswerk, und diese drei Wegpunkte habe ich nun vor mir. Im Jura sind die Schauer kleiner, und das sitze ich dann auch einfach mal aus, und zwar auf dem Motorrad, d.h. ich fahre einfach durch und lasse mich danach wieder trocknen.

    Der letzte der drei Punkte ist ein kleiner Schweizer Grenzpass.

    Hier ist kein Personal, deshalb steht hier ein Schild, wer hier alles nicht drüber fahren darf: Jeder der was zu verzollen hat, und vorsichtshalber alle Gewerbetreibenden. Irgendwie kommt mir das doch ein wenig bekannt vor? Naja, vielleicht sieht es sich doch alles ähnlich nach 4000 besuchten Passknackerpunkten. Jetzt geht’s auf direktem Weg ins Hotel, noch gut eine Stunde, als mich in Pontarlier ein stärkerer Regenschauer erwischt. Hier sehen manche Geschäfte offen aus, und ich frage mich, ob ich mit dem restlichen Sprit durchkomme. Also parke ich an einem Einkaufszentrum auf dem überdachten Parkplatz. Alle neuen Großparkplätze in Frankreich müssen mit Solarzellen überdacht sein, gar nicht so dumm. Ich bin ein wenig irritiert warum ich noch so weit im Osten bin? Immerhin scheint dies der letzte Regenschauer heute zu sein. Auf der andere Seite des Parkplatzes lockt ein Burger King. Hm, ich habe heute bisher nur zwei Butterbrezen gegessen. Also rein da, Chicken Teile mit Pommes, und die Planung prüfen. Und siehe da: Ich hatte falsch geplant. Ich war gerade bei den falschen drei Passknackerpunkten. Das ist schlecht. Die richtigen Punkte liegen aber grob in der Fahrtrichtung zum Hotel, und der Umweg hält sich in Grenzen. So toll ist es im Jura jetzt nicht, dass ich hier am Rückweg nochmal durch müsste, also beschließe ich, dass heute zu machen. Meine Ausdauer spielt da anscheinend mit.

    Nach dem späten Mittagessen ist der Regen wie versprochen weg, und die Sonne hat bereits die Sitzbank getrocknet – sehr schön. Los geht’s über die Dörfer und Hügel, und schon 40 Minuten später habe ich den ersten der richtigen drei Punkte im Kasten. Der letzte Punkt ist auf der Schweizer Grenze, und da erwischt mich leider wieder ein Schauer.

    Aber schon 15 Minuten später ist es wieder trocken, und dabei bleibt es heute dann auch!

    Jetzt nur noch 90 Minuten ins Hotel fahren, durch gar nicht so öde Landschaft. Alles läuft gut, aber ich habe jetzt ein neues Problem: Das Navihandy lädt, lädt nicht, lädt, lädt nicht, und dadurch entlädt sich der Akku. Kurzes Umstecken von SPC-Wireless Charger zu Dose am Handy zeigt, dass es nicht am SPC liegt. SPC an Powerbank funktioniert. Super, dann hat meine neue USB-Dose ungefähr 8 Stunden gehalten. Da kann ich ja den Rest der Reise ein neues Ladekabel suchen. Mein Hotel ist in Lons-le-Saunier, ein Ibis, gegenüber von einem Burger/Steak-Grillrestaurant. Im Ort ist auch eine Tankstelle, SP95-E10 ist aus, also gibt’s SP98.

    Das Hotel ist solider Standard für 2 Sterne, leider ohne Fön, aber ich bin heute ja trocken geblieben in meinem IXS-Membran-Anzug. Kurz vorm Hotel ist noch ein Motorradhändler mit Zubehör, der öffnet morgen früh um 9 wenn er nicht Ferien hat, vielleicht hat er ein 12V-USB-C-Ladekabel.

    780 km heute, Ausdauer und Fitness vorhanden :) Der Navihandy-Ärger verfolgt mich, aber Regenradar hat sich heute echt gelohnt.

  • Di 22.04. Zentralmassiv

    Das Zentralmassiv ein französisches Mittelgebirge. Es ist größer als Bayern, oder, um genau zu sein, 33x so groß wie das Saarland. Es ist arm an Großstädten, aber reich an Kurven. Und da fahre ich heute durch, wie gestern weiterhin auf der Mission, neue Pässe zu entdecken. 512 km und 8 Pässe stehen auf dem Programm. Gestern hatte ich aus Sorge um die Stromversorgung meines Handynavis noch diverse Motorrad-, Handy- und Elektronikläden entlang der Route gesucht, aber heute früh lädt es wieder als wäre nichts gewesen. Mysteriös! Ebenfalls mysteriös: Mein Motorrad mag nicht mehr blinken. Die restliche Lichtanlage funktioniert. Ist das ein guter Tausch? Ich bin mir nicht sicher! So geht's noch aufmerksamer als sonst los, zunächst 2 Stunden bis zum ersten Punkt, dem Col de la Gachet.

    Die Sonne scheint und ich habe gute Laune, da gönne ich mir die mautfreie Strecke, die laut Google 30 Minuten länger dauert. Ich habe nicht geprüft, ob das stimmt. Man hat einige Ortsdurchfahrten, und da erwische ich zwei Pain au Chocolat, Schokoladenbrötchen, für mein späteres Frühstück. In meinem Topcase ist sogar genug Platz dafür, ohne sie einzuquetschen. Die Wolken sehen dramatisch aus, aber ich bleibe trocken, in Übereinstimmung mit der Prophezeiung des Wetterdienstes.

    Ebenfalls gut am Brötchenkauf: Kaum läuft der Motor wieder, blinkt es auch! Ein Wunder! Danke. Das bleibt jetzt auch so. Die Yamaha war vielleicht nur unterzuckert.

    Es geht auf dem Autobahnring durch Lyon und danach schließlich endlich zu den ersten Pässen. Auch andere Kurvengourmets sind bereits unterwegs.

    Die Hauptstrecke N88 führt hier gut ausgebaut quer durch die Region, und man könnte darauf sicher auch mit dem Motorrad Spaß haben. Die Leckerlis liegen abseits, wenn man nicht im 6. Gang Knie schleifen oder nur Landschaft gucken will. Gucken kann man z.B. dass die Franzosen gern isolierte Gebäude auf einsame Felsen stellen.

    Den Aufwand dieser Art von "Bergbau" kann man sich gar nicht vorstellen.

    Auch einer der Passknackerpunkte ist eher sakral.

    Sonst ist eher Landwirtschaft angesagt.

    Ich war ja schon in den Cevennen und anderen Teilen des Zentralmassivs, daher bin ich heute eher an den Rändern unterwegs und mache tüchtig Strecke. Bei einem Intermarche tanke ich (10 cent billiger!) und kaufe in der Elektronik-Abteilung noch 3 USB-A-auf-USB-C-Ladekabel ein, denn ich habe ein vierfach USB-A-Netzteil dabei, aber nur eins dieser Kabel. So könnte ich im Problemfall über Nacht 4 Geräte gleichzeitig aufladen. Aber heute nicht - Handynavi bleibt bei 100%, ich wechsle nach dem letzten Pass aufs Haupthandy, und das ist dann bis zum Hotel auch voll.

    Ich komme 15:55 am Hotel in Miliau an, ich darf ab 16:00 einchecken. Das Tor zum Parkplatz ist zu, ein Wanderer wartet. Hm, was mache ich mit der Zeit? Tanken wäre auch schon wieder sinnvoll, und vielleicht ein kleiner Einkauf, nicht dass mir morgen die Snacks ausgehen. Sprit findet sich, aber im Lidl ist das Gedränge groß nach dem einen Osterfeiertag hier, zur Rush Hour, da verzichte ich. Der Ort bietet offensichtlich genug Auswahl für ein Abendessen und einen Spaziergang. Körperliche Bewegung kam die letzten zwei Tage zu kurz. Das Zentralmassiv bietet massiv viele Optionen für Motorradfahrer, ich hab da heute nur an der Oberfläche gekratzt. Würde man eine Idealwelt für Motorradfahrer malen, sie sähe so ähnlich aus. Es kommt der Welt aus Joe Bar Team schon nahe.


    512 km heute

  • Gestern Abend gab's noch einen Spaziergang durch Miliau mit anschließender Pizza. Lecker, aber viel, insbesondere viel Käse. Ich erkenne eine Parallele zu den Hähnchenteilen gestern - Frankreich und Käse ist wohl so ein Ding.

    Mi 23.04. Cevennen, Französische Pyrenäen

    Kaum zu glauben, dass ich erst zwei Tage unterwegs bin. Heute lacht die Sonne, es stehen früh schon 10 Grad auf dem Thermometer, und Regenfront aus Westen kommt erst spät, wenn ich bereits weg bin. Raus aus Miliau fahre ich auf diesen beeindruckenden Viadukt zu. "Das Viadukt ist mit 2460 m die längste Schrägseilbrücke der Welt, bei einer maximalen Pfeilerhöhe von 343 m die größte Brücke der Welt, das höchste Bauwerk Frankreichs und die höchste Brücke in Europa", sagt Wikipedia. Miliau kann somit seit 2004 umfahren werden, was den Anwohnern sicherlich gut tut, den Geschäften vielleicht weniger. Die Brücke kostet Maut, wer durch Miliau fährt spart sie sich. Für mich geht's zunächst 75 km Überführung durchs Hinterland im Zentralmassiv, bis ich den ersten Passknackerpunkt in den Cevennen erreiche. Die Cevennen sind ein Teil des Zentralmassivs, und so richtig richtig ländlich. Eine in 11 km angedrohte Brückenbaustelle kam zum Glück dann doch nicht, bzw. musste ich eh direkt davor abbiegen. Es ist kitschig hier.

    Allerdings fährt man meistens im Wald und hat wenig Aussicht. So tüte ich 6 Pässe an der Nordseite der Cevennen für mein Lebenswerk ein und überquere in der Nähe von Carcasonne die A61 und den Canal du Midi. Da hätte sich eigentlich ein Pause angeboten, aber irgendwie war ich heute recht getrieben unterwegs. Meine Pausen mache ich auf einsamen Plätzen am Straßenrand in der Sonne. Ich habe auch noch 3 Stücke Pizza von gestern. Ich mag kalte Pizza, besonders wenn der Käse alles zusammenhält :)

    Dann erreiche ich erste Ausläufer der Pyrenäen.

    Es gibt auch flaches Hochland (Col du Notre Dame)

    Vorne wächst Wein, hinten liegt Schnee - wow.

    Dann geht's wieder auf ganz kleine Straßen, es gibt Höhen- und Breitenlimits, es wird felsig.

    Ganz weit oben schließlich, eine Hauptstrecke mit wahrnehmbaren Verkehr, aber nichts was man nicht gut überholen könnte...

    Hier fahre ich tatsächlich ganz dicht am Col de la Llose vorbei, wo ich auch noch nie war. Das merke ich leider erste eine halbe Stunde später. Und für eine Stunde Umweg fühle ich mich heute nicht mehr fit genug. Naja, ein Grund mehr, wieder hier her zu kommen. Bald ist Spanien erreicht.

    Okay, hier am Foto nicht wirklich, aber ab jetzt geht's bergab und dann erreiche ich Puigcerda, die erste Stadt hinter der Grenze, wenn man die spanische Enklave Livia in Frankreich nicht zählt. Puigcerda ist touristisch geprägt, es gibt alles was das Herz begehrt. Mein Hotel ist erfreulich modern, das WLAN ist gut und die Yamaha darf in die Hotelgarage. Beim umparken stelle ich fest, dass man das Zündschloss „halb“ einschalten kann – dann läuft der Motor und alles andere auch, aber nicht die Blinker. Damit wäre das Mysterium von gestern früh aufgeklärt, bzw. noch eine Stufe abstrakter. An einer meiner Kawasaki Versys hatte das Zündschloss den Fehler, dass sie manchmal zwar georgelt, aber nie gezündet hat, und zwar gefühlt abhängig davon, wie schwungvoll man das Zündschloss betätigt hat. Was es nicht alles gibt! Es gibt auch ein Restaurant im Hotel, aber es öffnet erst 20:30. Das ist so in Spanien. Mehr Zeit für Körperpflege und Reisebericht. Heute ist Georgstag, ein informeller Feiertag in Spanien. Das macht Öffnungszeiten unplanbar, aber der Ort ist gut fußläufig zu erwandern und verhungern werde ich wohl nicht. Erfrieren werde ich auch nicht, es hat 18 Grad und die Leute tragen T-Shirts. 1202 Höhenmeter, aber Südlage! Höchster Punkt heute war übrigens der Col de la Quillane mit 1714 Meter.

    Der Straßenzustand war heute oft eher nicht so toll, aber die MT-09 SP steckt das gut weg. Es hat sich außerdem gelohnt, meinen Topcase das Klappern abzugewöhnen. Dafür habe ich Filz zwischen Monolock-Träger und Topcase geklemmt. Wer hätte gedacht, dass Topcaseträger sich abnutzen können? Wenn es nicht klappert bewegt es sich auch nicht, und wenn es sich nicht bewegt habe ich auch keine zusätzlichen Kräfte am Motorrad, also kein Eigenleben des Gepäcks. Das fühlt sich sehr viel besser an, das hätte ich früher tun sollen.

    386 km heute, fühlte sich länger an

  • Gestern Abend gab's noch einen Stadtspaziergang. Puigcerda liegt auf einem Hügel („Puig“), ich laufe mal ganz hoch, für die Fitness. Heute ist Namenstag des heiligen St. Georg, und der wird regional gefeiert, indem man sich Blumen und Bücher schenkt. Es ist also einiges los. Zurück zu meinem Hotel am Bahnhof gibt es ein Aufzugssystem, was echt nett ist. Mein Hotelzimmer hat einen verglasten Erker, der einen 180° Blick aufs Bergpanorama erlaubt. Leider ist der Sonnenuntergang nicht so spektakulär. Hotel Puigcerda, 2 Sterne, 56 Euro inkl. Frühstück.

    Do 24.4. Pyrenäen-Süd, Aragonien

    Nach der erholsamen Nacht habe ich mein erstes Hotelfrühstück auf dieser Reise. Das hilft, die kältesten Stunden des Tages zu vermeiden, denn es hat morgens frische 2 Grad. So wie Sonne knallt, merkt man das aber nicht. Ich packe so gut es geht vor dem Frühstück, dann ist etwas Sport fällig, danach noch eine Dusche, und dann Frühstück. Eine ausgewogene Diät ist wichtig, besonders bei so körperlich monotonen, aber geistig fordernden Tätigkeiten wie mit einem ein magersüchtigen Power Naked Bike über Bergstraßen zu brennen. Daher gibt’s Schokoladenbrötchen, Brötchen mit Schokoladencreme, und dazu eine heiße Schokolade. Schoko-Muffins gab's leider keine. Wie immer gilt beim Hotelfrühstück: Das ist alles bezahlt!

    Gut gesättigt geht’s los auf die Reise. Heute steht viel Strecke an, aber zunächst fahre ich meine Lieblingsstrecke der Region, solange sie in der richtigen Richtung liegen. Ich vermeide ja Mautstrecken auf dieser Reise, aber der Tunel de Cadi liegt einfach zu günstig. Dafür kostet er schlappe 11,41 Euro – uff.

    Den spanischen Teil der Pyrenäen mag ich viel lieber als den französischen, wobei ich letzteren ehrlich gesagt noch nicht komplett kenne. Mein zweiter Wegpunkt heute ist das Santuari de Queralt. Da hat man eine schönseAussicht.

    Vor allem aber hat man da die Straße LV/BV-4241 nach Westen. Vierstellig heißt: Keine Bedeutung für den überregionalen Verkehr. Sie hat ungefähr 30 km feinste Kurven, ohne störrische Kehren. Der letzte Ort am Weg heißt Guixers, was erklärt, welche Suzukis sich hier am wohlsten fühlen. Ich schone meine Reifenmitten und schwinge im fünften Gang westwärts. Ein tolles Gefühl! Am Coll de Jou geht’s dann nach Süden, raus aus den Bergen. Gerne mit Blick auf die grüne Berglandschaft.

    Jetzt muss ich richtig viel Strecke machen in einer Region ohne Passknackerpunkte. Dazu habe mir auf den ViaMichelin Karten „landschaftlich schöne“ Strecken ausgesucht. Es geht selten wirklich geradeaus, aber alles geht im 6. Gang. Es ist wenig Verkehr, und wenn doch, kann man immer und überall überholen. Es geht an Lleida vorbei westwärts, vor Zaragoza links nach Süden, und hier knacke ich erstmals auf der Reise die 20°. Ich suche mir einen verlassenen Dorfplatz mit Sitzbänken und die Membranschicht abzulegen. Es ist echt einsam hier und teilweise auch karg. Für Pipipausen ohne Exhibitionismus muss man etwas suchen.

    Habe ich bereits Landschaft erwähnt? Farbige Berge in der Ferne!

    Ich sehe wirklich viel Landschaft heute, aber auch Landwirtschaft. Es wird alles genutzt.

    Ein Nebeneffekt der vielen Schweine- und Kuhställe: So oft wie heute habe ich mein Visier auf dieser Reise noch nicht putzen müssen. Ich fahre und fahre, immer weiter, völlig ungestört, wie im Traum. Ich übersehe fast meine Tankanzeige, ich bin anscheinend seit 22 km auf Reserve unterwegs. Die reicht beim sparsamen Tempo für 55 km. So sparsam war ich aber nicht, glaube ich... im übernächsten Dorf gehen dann 17,x Liter in den 18-Liter Tank. Das habe ich am ersten Tag übrigens bei 2 von 3 Tankpausen geschafft. Die Spritpreise schwanken. Es gibt anscheinend drei Preisstufen: 1,30 an kleinen Tankstellen ohne Personal, 1,55 an den meisten Tankstellen, 1,75 an Schnellstraßen. Bis jetzt hat auf dieser Reise zum Glück noch niemand versucht, für mich zu tanken.

    Ich nähere mich langsam dem Ende der Tagesroute. Das ist doch lange heute! Noch zwei Passknacker, Puerto de San Just und Puerto de El Esquinazo, dann sind es nur noch 80 km.
    Ansehnliche Bergdörfer gibt’s auch. Auf meinem landschaftlich schönen Weg über den Ort La Virge de la Vega liegen noch zwei ausgeschilderte Pässe, die Passknacker noch nicht kennt. Hier wird’s landschaftlich wirklich nochmal sehr schön.

    Ich bin aber einigermaßen matt, will aber nicht noch eine Pause machen. Also rolle ich behutsam weiter. Bei Tempo 80 habe ich fast das Gefühl zu stehen... so komme ich sicher ans Ziel. Mein Hotel heute gehört zu einem Autohof. Es liegt also an einer Schnellstraße, bietet Restaurant und Tankstelle dazu. Das kann alles von gut bis schlecht sein, aber die Bewertungen waren gut, und der Eindruck bestätigt sich vor Ort. Das Motorrad parkt im Schatten unter Videoüberwachung, im Restaurant steppt der Bär. Der Checkin läuft etwas holprig, weil der Automat meinen Lichtbildausweis nicht auslesen kann. Tja, das hätte mich auch überrascht, denn der ist vom Verein Digitalcourage Bielefeld ausgestellt, und kein amtliches Dokument. Meine Daten sind aber korrekt. So stehe ich eine Weile in meiner schön warmen Kombi neben zweisprachig fluchendem Personal, bis es dann manuell und anonym klappt. Das Zimmer ist groß und modern, hat Klimaanlage, Fön und einen 43“ Fernseher, für 45 Euro. Da kann man nicht meckern! Abendessen gibt’s später hier im Restaurant, und Wasserflaschen kann man hier auch kaufen: 6x 1,5 Liter 4 Euro. Fair!

    550 km heute

    Ab jetzt werden die Tagesetappen kürzer.

  • Danke für diesen tollen und schönen Bericht. Auch die Bilder sind schön wie Kalender-Fotos. Weiterhin viel Spaß und Freude.

    Grüße vom Niederrhein, Uwe

    Ciao

  • Nach dem Spaziergang rund um den Autohof mit Wasserkauf (4 Liter 1,20) gab's Abendessen. Das 3-Gänge-Menü mit Getränk hätte 16 Euro gekostet, ich habe mich aber nur für einen zweiten Gang entschieden, Spare Ribs. Berechnet wurde mir ein halbes Menü – da kann ma nicht meckern. Für 8 Euro kriege ich daheim kaum einen Döner plus Cola. Diese Art von Spare Ribs ist eher Erlebnis als Fleischgenuss, aber hey... Noch ein Spaziergang, und dann zurück ins Zimmer. Sonnenuntergang 20:52.

    25.4. Cuenca

    Heute stehen eigentlich keine Passknackerpunkte auf dem Programm. Ich habe ja den Landespreis 2021 gefahren, und dafür alle Punkte eingesammelt. Seitdem sind hier und da welche dazu gekommen, aber nicht hier in der Region. Es gibt noch Punkte, die nicht zum Landespreis zählen, nämlich Schotterstrecken. Und da ist hier eine in der Nähe! Die Online-Recherche zeigt, dass es zum Pico Javalambre nur 2,5 km Schotter sind, der Rest ist befestigt. Es sieht auch nicht steil aus, keine Kehren. Also los! Ich starte 8:30 ohne Frühstück, und nach 5 Minuten läuft mein ein Reh knapp vor dem Motorrad vorbei. Nach 10 Minuten knallt ein Spatz in meinen Kühler. Die Yamaha schmückt sich nun mit fremden Federn. Okay, ich glaube das Universum möchte mir mitteilen, dass ich langsamer fahren soll. Na gut. Ich nähere mich einem menschenleeren Skigebiet, fahre am Parkplatz vorbei den Wirtschaftsweg nach oben, quer unter Seilbahnen durch und überquere die völlig schneefreie Skipiste. Der Schotter ist überwiegend befestigt, ich komme gut voran. Eine Stelle ist etwas steinig, aber mit Sorgfalt komme ich drüber. Der Vorderreifen mit Profilblöcken findet halt, so fühlt sich das ganze auch nicht allzu wild an.

    Ganz oben treffe ich zwei spanische Motorradfahrer, deren Motorräder gestern Abend schon an meinem Hotel standen. Einer davon spricht deutsch, denn er lebt in Würzburg. Schöne Grüße! Für mich geht’s weiter Richtung Cuenca. Da sind zwar auch keine Passknacker, aber eine insgesamt schöne Region. Auf der N-330 tanke ich, obwohl ich noch lange nicht leer bin, denn es geht gleich in die Pampa. Ich brauche etwas um mich zu sortieren und da habe ich schon einen Tankwart auf den Plan gerufen, der genau 16 Euro in meinen Tank füllt. Ich habe noch 300 km vor mir, das müsste ja wohl reichen.

    Es folgt eine Bröckelpiste CU-V-9101, die ich mir echt hätte sparen können, dann geht’s aber auf die Hauptstrecken CM-2106 und CM-2105, und da wird dann wieder mal klar, warum Motorradfahren in Spanien so großartig ist. Wir hätten da anzubieten: Canyon surfing

    Ausblicke

    Kleine Städtchen wie Uña, mit vielen Cafes. Ausblick auf die Schlucht, Ventano del Diablo

    Es gibt auch einen Zugang zum Wasser, aber nur für Fußgänger, bzw. für Personen mit dem richtigen Schlüssel für die Schranke am Weldweg 4 km östlich von hier. Was es nicht gibt: Stress und Ärger. Jetzt geht’s landschaftlich schön nach Cuenca, der namensgebenden Stadt der Provinz. Ihren Namen leiht sie noch drei anderen Städten auf der Welt. Blick auf die Stadt von der Burg, „hängende Häuser“ direkt an der Felskante

    Blick auf der Stadt von einem Wohnviertel mit richtig schön engen Gässchen, wo man kaum das Motorrad wenden kann, was kaum schweißtreibend ist wenn man bergab vor Treppenstufen steht

    Außerhalb von Cuenca, in Buenache de la Sierra, wohnt ein Künstler, der aus Steinen und Totholz Skulpturen formt. Und die stellt er hektarweise auf Wiesen außerhalb des Dorfes. Man kann einfach rein gehen oder fahren.

    Die Skulpturen sehen wie Figuren aus, und man unterstellt ihnen auch Persönlichkeit, wenn man sich eine Weile darauf einlässt. Aber er betreibt auch eine Bar mit Museum für die eher kleinen Stücke, und da gönne ich mir jetzt ne eiskalte Cola, denn es ist ganz schön warm geworden beim Motorrad-Stadtbummeln. Danach geht’s 126 km Richtung Andalusien, in eine Kleinstadt namens Pedro Munoz, wo ich ein günstiges Hotel für 35 Euro gefunden habe. Auf dem Weg habe ich etwas Spritparanoia, weil der Tankwart heute Mittag wohl nicht wirklich voll getankt hat. Die letzten 50 km kommt keine Tankstelle, und ich tanke wieder mal 17,x von 18 Litern.


    404 km heute

    Die Dusche ist heute sehr nötig, danach gibt’s patatas bravas (Salzkartoffelstücke) mit dünnen Fleischstreifen vom Grill (Kebap). Und einen Supermarktbesuch und 20 Minuten Spaziergang. Ab jetzt sind isotonische Getränke angesagt. Es könnte nicht besser laufen, etwa 1/4 des Urlaubs ist geschafft. Ich fahre echt gern Motorrad in Spanien :)

  • Noch mehr Wahnsinn, das Canyon Surfing würde mir auch gefallen. Genauso wie die zu einem Reisebericht gehörenden Essensbilder 😉

  • 26.4. Auf nach Andalusien!

    Heute geht’s nach Andalusien. Andalusien ist der heimliche Favorit der spanischen Regionen, für Motorradfahrer und sonstige Touristen. Außerdem ist es die bevölkerungsreichste Region und die mit der längsten Küste. Andalusien ist aber eher nicht reich, dafür fließt hier viel Geld von Zentralregierung und EU, um den Bausektor zu subventionieren, und das schließt Straßenbau mit ein. Die Motorradindustrie testet hier „heimlich“ und lädt Journalisten zu Produktpräsentationen ein. Besonders viel Wasser gibt’s nicht, dafür viele Berge und Hügel. Aber genug Theorie! Ich wache 8 Uhr auf und mir tut alles weh. Morgengymnastik hilft nur teilweise weiter, also muss eine Ibu rein. Auschecken und aufbrechen: Auf schnellstem Weg 157 km zum ersten Passknackerpunkt, dem Desfiladero de Despenaperros. Ich lege die Hände nach außen gedreht auf den Lenker auf und habe den Eindruck, dass sich das besser anfühlt. Der Punkt ist ein Aussichtspunkt an einer alten Passstraße, die durch eine neue Schnellstraße bedeutungslos geworden ist, außer für Genießer.

    Auf dem Weg kommen mir weitere Genießer entgegen, insbesondere auf Sportmotorrädern. Klar, es ist Samstag! Danach droht wieder 100 km Überführung, da packe ich mir aber zur Abwechslung, zum Tanken und für einen kleinen Einkauf noch zwei Wegpunkte in der Stadt Jaén in die Route. So gibt’s erst billigen Sprit und dann ein kühles Langarmshirt von Decathlon für 6 Euro. Sowas besitze ich zwar grundsätzlich, habe es aber daheim gelassen.

    Natürlich sind wir längst über 20 Grad und ich trinke dem Schweiß so gut es geht hinterher. Dann geht’s schließlich in die Berge. Vier neue Passknackerpunkte warten darauf, von mir entdeckt zu werden. Puertoviejo, Puerto de Locubin, Fuente del Moral und Puerto del Zegri. Die Landschaft wird von Olivenbäumen dominiert, die hier künstlich angepflanzt wurden. Da sie alle quadratisch in Reihen angepflanzt sind, sieht das alles leider auch nicht wirklich nach Natur aus. Und die stehen so weit da Auge reicht, und noch viel weiter...

    Die Nebenstrecken sind eher holprig und gern auch mal asphaltglatt – klar, hier gibt’s keinen Frost, dann muss die Strecken auch nie erneuern.

    Man kann aber gut Motorrad fahren. In Pausen suche ich Schatten. Ich mache generell mehr und längere Pausen, um mich heute zu schonen.

    Einige Orte sehen durchaus interessant aus, so wie hier Montofrio.

    Hier muss ich 2x durch, und am Rückweg findet Kurviger eine spektakulär steile Strecke. Ich nehme es schmunzelnd mit, bin aber froh, dass ich gerade keinen Mitfahrer dabei habe. Endlich finde ich eine Waschanlage und kann die MT-09 vom Dreck befreien, denn die bisherigen ca. 3100 km hinterlassen haben. Dann geht’s nach Granada rein. Auf dem Weg in die Stadt sieht man schon die verschneite Sierra Nevada - sehr schön! Ich habe ein Zimmer in einem 1-Sterne-Hotel für 2 Nächte gebucht. Das erlaubt mir morgen einen Ruhetag, einen Stadtbummel, einen Waschtag, und/oder eine wilde Rundtour Richtung Ronda, mal sehen, je nach Lust, Laune, Ausdauer. Es gibt keine Rezeption, ich muss anrufen, der Wirt spricht nur Spanisch und ein paar Zahlworte und erklärt mir alles lang und breit mit Händen und Füßen. Echt liebevoll, aber eigentlich will doch nur ins Badezimmer, insbesondere unter die Dusche. Dass man nicht mit voller Blase bei der Unterkunft ankommt, habe ich schon länger gelernt.

    Viel südwestlicher wird’s nicht auf dieser Reise. 6 von 21 Tagen sind vorbei. Hier ist quasi Umkehrpunkt. Die nächsten Tage geht’s wieder nach Norden. Die Wetteraussichten sind weiterhin ungetrübt, die Yamaha schnurrt. Der Klapphelm hat einen Hauch Kettenöl bekommen, indirekt über ein Tuch, jetzt schließt er wieder sanft. Das Zündschloss geht mehr oder weniger präzise. Der Kettenöler ist heute von 4/4 auf 3/4 Tankinhalt gesprungen. Kettenlängung hält sich im Rahmen. Der Vorderreifen sieht noch neu aus, der Hinterreifen hat noch gut die Hälfte. Damit komme ich ungefähr bis Frankreich zurück und organisiere mir dann irgendwo einen neuen Hinterreifen.


    446 km heute, aber nur 5:50h Fahrzeit laut Routenplaner.

  • Gestern gab's nach Spaziergang und Einkauf Abendessen. Ich bin mitten in Granada, die Auswahl erschlägt mich. Es gab Kartoffelsalat russischer Art (?) mit Gambas, dazu Brot mit Olivenöl und Tinto. Das war nicht schlecht, aber auch nicht günstig. Überall sind Menschen, auch viel Sicherheitsdienste und sonstige Uniformträger, aber alle ohne Waffen? Spanisches Pokalfinale? Nein, Stadtlauf! Es gibt in Granada einen Halbmarathon, und der läuft hier vorbei. Ich mache es mir bei einer Stelle mit schöner Aussicht auf der Mauer gemütlich, beobachte Sonnenuntergang und Laufende. Gelegentlich posieren Gruppen für ein Selfie, die freuen sich über eine helfende Hand.

    Ich bin ja selbst kein Läufer, aber was die da tun, kann man schon bewundern. Und wenn von den ersten 30 einer komplett aus der Reihe fällt, weil er mal eben 30 Jahre älter ist, dann hat der wohl nicht alles falsch gemacht im Leben...

    27.04. Granada Rundtour

    Heute ist der Schontag. Die Wäsche, zwei miefige Socken und eine miefige Unterhose, habe ich im Waschbecken mit Handseife gewaschen und in der Dusche zum trocknen aufgehängt. Jetzt stinkt das ganze Hotelzimmer danach. Das ist doch was. So, in Granada ist natürlich die Alhambra das Highlight schlechthin. Das sehen leider auch alle anderen so, deshalb muss man sich die Tickets vorher kaufen. Von 12 verschiedenen möglichen Tickets für verschiedene Teile waren leider alle für gestern, heute und morgen ausverkauft, sowohl mit und ohne Führung, sowie tagsüber und nachts. Das allgemeine Ticket ist sogar 4 Wochen im Voraus ausverkauft. Ich kann also höchsten dort außen rumlaufen, dort einbrechen, jemanden bestechen, mich am Schwarzmarkt über den Tisch ziehen lassen, oder nochmal wieder kommen. Ich entscheide mich für letzteres. Motorradfahren macht auch Spaß, und 'ne kurze Tour geht schon.

    Am Vorabend habe ich intensiv Varianten geplant, was ich heute fahren kann für mein Reiseziel „möglichst viel Lebenswerk“, und die offenen Punkte liegen so, dass es tatsächlich das beste ist, heute nur einen davon zu fahren: Venta del Chaleco. Das spart morgen einen großen Umweg. Es liegen viele schöne Strecken in der Gegend, und wenn ich am Ende der Tour noch Lust habe, fahre ich ins Skigebiet Sierra Nevada hoch. Da gibt’s die höchste legal befahrbare asphaltierte Straße Spaniens. Aber zuerst gibt’s die Autobahn, und eine Billigtankstelle. Ich fahre die jetzt gezielt an, 1,29 statt häufig 1,49 oder 1,75 ist schon ein Unterschied. Nach etwas Autobahn geht’s nach Orgiva in die Berge rein. Heute ist Sonntag, da ist erkennbar Ausflugsverkehr. Heute sehe ich mehr Motorräder als bisher insgesamt. Und die sind alle langsamer als ich! Kaum hat man eine Gruppe Harleys überholt und die Auto-Trauerkolonne davor, wird man angehalten: Hier ist wegen Radrennen 15 Minuten gesperrt. Leider versteht der Polizist meine Frage nicht, ob ich vorne ans Ende der Schlange fahren darf. Er ist wohl kein Motorradfahrer. So habe ich 15 Minuten später eine extralange Trauerkolonne vor mir. Das entzerrt sich dann aber, weil mich die kurviger-App auch auf „schnellste Route“ mitten durchs Bergdorf Lanjarón schickt, wo die Hälfte der Straßen wegen Radrennen gesperrt sind, statt auf die Umgehungsstraße. Positiv dagegen, die A-348 wird hier bald zu einer Motorradtraumstrecke, der Autoverkehr lässt nach, ich fahre einem GSX-R-Fahrer in Lederkombi hinterher, der zwar mehr Schräglage und mehr Vollgas kann als ich, dafür aber weniger auf der Bremse, und er überholt wie ein Fahrlehrer. Unsere Wege trennen sich aber, denn ich fahre A-4131, Haza del Lino, auch wieder eine Idee von kurviger, aber keine schlechte Idee. Hier ist dann praktisch kein Verkehr mehr, und wenn, dann Motorräder. Blick auf's Meer gibt’s dazu!

    Echt schön hier! Hier gibt’s auch einen Passknackerpunkt. Da war ich schon mehrfach, ich habe ihn sogar vorgeschlagen. Das nimmt man gern mit. So schön geht’s dann weiter...

    Irgendwo gelingt mir dann auch das Foto des Jahres (bisher)...

    Später kann man dann richtig schön zur Küsten runter fahren, sehr kurvenreich, und mit vielen Gleichgesinnten. Die alle langsamer sind! Der Fahrer der R1 vor mir könnte vermutlich schneller, möchte aber seine Freunde nicht überholen. Überholen wäre aber unvernünftig. Also Pause! Und nebenbei die Gruppe fotografieren.

    Ich trinke heute isotonische Getränke, und das funktioniert echt gut. Weniger Durst, weniger pinkeln. Die Strecke A-345 durch Albondón führt über allerfeinste Kurven und Kurvenkombinationen an die Küste, Zeit für ein Strandfoto!

    So, jetzt das „Pflicht“-Programm geschafft, jetzt schon zum Hotel? Ach was, Sierra Nevada geht noch! Da gibt’s doch eine Nebenstrecke? Monachil ins Navi und los! Es ist Ausflugsverkehr, es wird kilometerweit der Straßenrand zugeparkt, und ich bin der einzige Motorradfahrer hier, aber dann lichten sich die Häuser und es geht’s ins Grüne, immer aufs Weiße zu.

    Die Strecke hoch ist der Traum jedes Kyffhäuser-Isle-of-Man-Fans, allerdings mit nicht wenig langsamen Autos, zwei Blitzern, dafür aber 30 km lang, gut einsehbar und an manchen Stellen darf man sogar überholen. Andalusien droht Motorradfahrern mit Verkehrsüberwachung per Hubschrauber und Drone, um insbesondere Überholvergehen zu ahnden. Darum wird hier eher braver gefahren als in Frankreich oder Italien, und daran passe ich mich hier auch an. Auch wenn's manchmal schwer fällt. Denn das Tempolimit wird nicht durchgesetzt.

    Ganz oben ist es noch weiß, aber nur auf der anderen Seite.

    Ganz oben nicht, die letzten 2 km sind gesperrt, vermutlich wegen Veranstaltung? Vielleicht gilt der Passknackerpunkt ja trotzdem, wenn nicht, auch nicht schlimm. Es geht hier 2520 Meter hoch, und damit zwischen Col de Fréjus und Timmelsjoch. Den Berg runter gucke ich mir dann wieder Kleinwagenrückseiten an, und fahre mit Zwischenstopp an der Tanke zum Hotel zurück. Abends vielleicht noch Stadtbummel, mal sehen...

    Route heute 310 km

  • Billig Reifen kaufen und montieren lassen geht sehr gut in Andorra. Quasi ein 90 Minuten Boxenstopp.

    Wie immer ein Genuss, Deine Texte zu lesen.

    Viel Spaß noch.

  • Gestern Abend gab's noch etwas Kulturprogramm. Dachte ich zumindest, aber die Alhambra war ausverkauft und die näheren Tempel hatten auch alle zu. Ich bin in die Altstadt runter gelaufen, auf diversen Stufen, durch schiefe, enge und verwinkelte Gassen. Ich bin ja an sich gut zu Fuß, aber mit abgelaufenen Turnschuhen auf dem historischen Stein-Mörtel-Boden kam ich ans Limit. Wanderstiefel sind angeraten. Granada hat sehr deutlich viele Touristen aus aller Welt. Ich gönne mir ein schönes Curry zum Abendessen und habe es überhaupt nicht eilig, weiter zu ziehen. Der Sonnenuntergang ist heute fast noch schöner als gestern, weil mehr Wolken am Himmel sind.

    28.04. Bring mir das Licht

    Heute stehen drei neue Passknackerpunkte auf dem Programm. Ich packe meine sieben Sachen, frühstücke auf der Dachterrasse und schwinge mich heute ausnahmsweise bergauf raus aus Granada. So vermeide ich eine Innenstadtdurchfahrt, und es geht erst nach ein paar Kurven auf die A-92. Der erste Pass heute ist der Puerto di Santillana, dazu geht’s südlich in die Berge, am östlichsten Zipfel der Sierra Nevada. Die Strecke kenne ich schon, denn hier liegt ein Dorf, das heißt fast genauso wie ich!

    Die Kurvenstrecke von Ohanes nach Süden ist sensationell in jeder Hinsicht. Aussicht, Abwechselung, Herausforderung, Übersicht, Belag, es ist einfach alles Spitzenklasse! Mein Andalusien-Experte Rainer hatte die Strecke rein geplant bei unseren bisherigen Reisen, und jetzt ist da eben auch ein Passknackerpunkt. Sehr sehr feine Sache.

    Weiter geht’s 32 km zum Puerto de Enix. Den kannte ich auch schon, da fährt man eine Bröselpiste an einem Steinbruch vorbei und oben hat man das Aussicht aufs Mittelmeer. Ideal für eine kleine Mittagspause. Mein Routenplaner wollte hier drüber fahren und dann einen Bogen auf der Autobahn um Almeria machen, aber kurviger dreht lieber um. Von mir aus, ist ja schön hier, und kürzer ist es auch.

    Die Sonne scheint, die Yamaha fliegt übers Land, es ist wenig Betrieb und hier sehe ich öfters mal Photovoltaik-Anlagen und auch Windräder, sowohl im Tal, als auch an und auf den Bergen. Es ist auch sehr windig heute. Komischerweise drehen sich die Windräder alle nicht – naja, ist wohl gerade abgeregelt, weil sie den Strom nicht brauchen. Der letzte neue Punkt für mich heute heißt Colaviti. Ich passiere Tabernas. Der Ort ist überregional bekannt dafür, dass hier früher diverse „amerikanische“ Western-Filme gedreht wurden. Hier habe ich mit Rainer schon ein paar Nächte gewohnt, denn Tabernas ist auch eine gute Basis für die Region. Zum Colaviti selbst führen nur sehr schmale Straßen, wo noch weniger Betrieb als sonst ist – es kommt 45 Minuten absolut niemand. Es gibt sogar einen Wegweiser, da steht „Radar 1863 Meter“. Nein, das ist keine Verkehrsüberwachungsmaßnahme (wobei!), sondern eine große Sendeanlage.

    Hier hat man fast in 270° das Meer am Horizont. So, jetzt noch zum Hotel. Ich will vorsichtshalber tanken, aber die Tankstelle hat anscheinend keinen Sprit. Kein Problem, hier ist ja Tabernas in der Nähe, das ist die größte Stadt der Region, da gibt’s noch mehr Tankstellen. Aber auch dort gibt’s es keinen Sprit. Ich verstehe nicht, wieso. Intensives Nachfragen mit Hand und Fuß und Translator führt zur Erkenntnis, dass das Problem ganz Spanien und Portugal betrifft. Ich bin verwirrt und recherchiere: Benzin-Boykott? Streik? Es ist nichts zu finden, wieder rein, Übersetzungsdienst dazu genommen, da sagt die Verkäuferin „Wir haben kein Licht!“ Ist der Antichrist schon da? Da dämmert es mir: Es ist ziemlich dunkel in dieser Tankstelle hier. Und die Kühlschränke sind auch dunkel. Und die Anzeigetafel, die ist auch dunkel. Und die Windräder drehen sich nicht, weil sie keine Netzfrequenz haben, auf die sich synchronisieren können. Ein veritabler Blackout, ein totaler, landesweiter Stromausfall! Ursache unklar.

  • Da bin ich zufällig Experte, weil ich in verschiedenen Rollen seit bald 10 Jahren bei verschiedenen Netzbetreibern arbeiten. Daher hier ein Exkurs:

    Ohne Strom laufen keine Pumpen, und ohne Pumpen kann die Tankstelle kein Benzin verkaufen. Notstromaggregate an Tankstellen sind keine Pflicht, auch in Deutschland nicht. Das würde die Tankstellenbetreiber ja Geld kosten, das kann man denen doch nicht vorschreiben. Stattdessen muss jeder, der im Fall eines Blackouts Sprit braucht, selbst welchen bunkern, und das schließt alle mit ein, die Notstromaggregate besitzen, also z.B. Krankenhäuser, alle mit Einsatzfahrzeugen wie Rettungsdienst, Polizei, Feuerwehr, Gasnotdienst und die Netzbetreiber selbst. Hier in Spanien fallen auch alle Züge aus, in Deutschland hat die Bahn ihr eigenes Stromnetz und sie könnte theoretisch weiter fahren, wobei in der Praxis sicher Abhängigkeiten bestehen.

    Tja, da stehe ich nun und weiß nicht so recht, was zu tun. Bis zum Hotel wird es mit dem Sprit sehr sehr knapp. Den Blackout kann ich nicht beheben. Der Tankstelle Sprit abquatschen kann ich auch nicht. Die Entscheidung ist eigentlich nur weiterfahren, oder sofort eine Unterkunft suchen. Ich entscheide mich für weiterfahren, es ist ja erst 14 Uhr, vielleicht wird das Problem ja bald behoben. Allerdings fahre ich möglichst sparsam. Das Handynetz scheint noch zu halten.

    Auch die Handynetzbetreiber haben keinerlei Zusagen dazu, wie lange ihr Netz hält, wenn der Strom ausfällt. Wer auf mobile Kommunikation angewiesen ist, muss sich entweder auf andere Techniken ausweichen oder sich selbst ein Mobilfunknetz bauen. Letzteres tun die deutschen Netzbetreiber gerade im Rahmen des Projekts „450 Mhz“. Ansonsten hat jeder wichtige Akteur Satellitentelefone und hofft, dass die nicht hoffnungslos überlastet sind, wenn es mal zu einem größeren Stromausfall kommt. Leitungswasser kommt normalerweise länger weiterhin aus der Leitung, weil den Wasserversorgern die Bedeutung von Trinkwasser klar ist. Darum stehen in den Wasserwerken sehr leistungsfähige Stromgeneratoren und dazugehörige Kraftstofftanks. In den meisten Städten reichen die Pumpen in den Wasserwerken aus, um das ganze Versorgungsgebiet mit ausreichend Druck zu versorgen.

    Um über die Berge nördlich von Tabernas zu kommen, hat man mehrere Möglichkeiten. Eigentlich hatte ich den Collada García geplant, eine Ballerstrecke mit weiten Radien. Stellt euch die Schwarzwaldhochstraße als Rennstrecke vor. Die Alternative ist Alto de Velefique, die ist kürzer, dafür sind mehr Kehren drin. Ich wähle letzteres. Die Kurven sind ja schon richtig richtig schick, aber so richtig genießen kann ich es nicht.

    Die Yamaha brummt im 3. und 5. Gang hoch. An der Passhöhe geht die Reservelampe an – das heißt, noch 55 km. Ich habe aber noch 70 km bis zum Hotel. Scheiße! Den Pass runter rolle ich dann ohne Motor, dann brauche ich auch keinen Sprit. Das geht einige Kilometer gut, es geht immer mal wieder etwas flach oder bergauf, da ist dann wieder kurz Schub gefragt. Bei der Ortsdurchfahrt von Velefique nehme ich ein offenes Restaurant wahr, und es stehen einige Motorräder davor. Stoooopp! Es wird sogar Essen serviert. Jetzt essen wäre eine Sorge weniger, dann muss ich nicht hoffen, abends irgendwo was zu bekommen, wo auch immer ich dann strande. Und die anderen Motorradfahrer geben mir vielleicht Benzin ab?

    So gibt’s also einen Hamburger für mich, und ich komme etwas ins Gespräch mit 2 Briten, 2 Niederländern, und drei Russukrainern: Keiner hat's heute mehr weit, im Prinzip würde mir jeder helfen, und ich habe auch einen dünnen Schlauch dabei, allerdings hat der sich so an seine zusammengerollte Form in meinem erweiterten Bordwerkzeug im Tankrucksack gewöhnt, dass ich ihn nicht gerade genug in vier fremde verwinkelte Tanks eingeführt bekomme, um ans Benzin ranzukommen. Das hat durchaus schon funktioniert, als ich anderen geholfen habe, aber heute klappt's einfach nicht. Protipp: in den Schlauch pusten und auf Blubbern lauschen ist besser für die Lunge als Benzindämpfe ansaugen. Die rettende Idee ist dann, bei der alten Ducati Monster 600 eines Spenders den Schlauch vom deutlich sichtbaren Benzinhahn zu lösen. Da tröpfelt dann das Benzin hinaus, allerdings echt langsam. Nach 15 Minuten habe ich gerade mal 0,2 Liter, und die Gruppe will eigentlich schon länger aufbrechen. Da will ich dann die Höflichkeit nicht überstrapazieren. 0,2 Liter sind immerhin 4 km Reichweite... und 4 km will ich weder das Motorrad schieben, noch in der Sonne laufen. Ich bekomme noch den Tipp, dass die großen Tankstellen sicher Generatoren haben. Ich bin skeptisch. Ich nutze noch WC und Waschbecken im Restaurant, es ist zwar dunkel im Keller, aber die Handylampe leuchtet den Weg und eine Kerze steht am Pissoir. Der Wasserdruck ist auch noch da.

    Zum nächsten Ort rolle ich so gut es geht. Tijola liegt am Tal, an einer Hauptstrecke. Ich riskiere 1,4 km Umweg zur Tankstelle im Ort. Diese hat leider auch keinen Strom und verkauft daher kein Benzin, aber immerhin Wasserflaschen. Da nehme ich doch 1,5 Liter mit, vorsichtshalber, wer weiß, wann es wieder was gibt. Die Verkäuferin hat den Tipp, dass die Tankstelle in Albox Benzin verkauft. Zu meinem Hotel in Baza sind es noch 40 km. Nach Albox 30 km, leider in die Gegenrichtung. Wenn ich dort nichts bekomme, bin ich richtig aufgeschmissen und muss versuchen, dort eine Bleibe zu finden. Wobei nicht gesagt ist, dass meine gebuchte Unterkunft in Baza überhaupt geöffnet ist. Ich entscheide mich für Baza, in der Hoffnung, dass der Sprit reicht, und dass morgen früh der Strom wieder da ist, so dass ich tanken und in Ruhe weiterfahren kann. Unterwegs halte ich an einer weiteren Tankstelle, aber auch diese verkauft kein Benzin. Auf der Strecke hier sind mir LKW aufgefallen. Da könnte man doch...? Bei der Ausfahrt warte ich also, bis ein LKW in meine Richtung kommt, und da hänge ich mich dann ganz dicht dran. Weniger Luftwiderstand ergibt weniger Verbrauch, ergibt mehr Reichweite, ergibt blahwas erreicht sein Hotel ohne liegen zu bleiben! Das klappt wirklich. Erste große Erleichterung.

    Das Hotel hat tatsächlich geöffnet, innen brennt Licht und es laufen sogar Fernseher. Man hat einen Stromgenerator. Zweite große Erleichterung! Rein da, Gepäck geholt, aus Rücksicht auf den Dieselvorrat auf die große Dusche verzichtet und nur kalt feucht abgewischt. Kurz überlegt, rausgehen? Regel Nummer 1 beim Blackout: Nicht rausgehen! Das Handynetz wackelt bereits. Die Bevölkerung ist angehalten, nur in wirklich wichtigen Fällen den Notruf zu wählen. Ich kann mir schon denken, was passiert, wenn jeder 20. Spanier den Notruf wählt um zu fragen, wann der Strom wieder da ist. Und wenn das Handynetz weg ist, kann niemand mehr den Notruf wählen. Und weil der Strom weg ist gibt’s auch keine Kameras mehr und keine Alarmanlagen, und Beleuchtung sowieso nicht. Wenn das Kriminelle und sonstige Gewaltbereite kapiert haben, bleibt man besser daheim.

    Aber noch ist die Stimmung gut, außer bei durchreisenden Touristen auf der Suche nach Sprit, daher wage ich einen Spaziergang zum Supermarkt. Nummer 1, Lidl, hat geschlossen. Nummer 2, deutlich größer, voller Parkplatz, im Vorbeigehen dröhnt ein Aggregat aus Lüftungsgittern in der Wand: Ah, hier bin ich richtig. Es ist nicht sonderlich voll. Die Türen öffnen, innen ist Licht, die Kassen laufen. Allerdings gab es wohl auch hier einen Zeitraum ohne Stromversorgung, denn die Kühlregale sind abgedeckt und werden gerade vom Personal ausgeräumt. Das ist konsequent. Mal sehen, was die Gastro so draus macht. Ich werde mir die nächsten Tage sehr genau überlegen, welches Essen ich bestelle. Ich kaufe meine üblichen Snacks und Getränke. Auch sonst kauft niemand unübliche Mengen. Das ist ein sehr gutes Zeichen. Wenn die Bevölkerung mit Hamsterkäufen beginnt, wird’s richtig schwierig, dann kann es sehr lange dauern, bis alles wieder wie gewohnt funktioniert.

  • Zurück im Zimmer rechne ich nach, wie knapp das jetzt war. Am Ende stehen 347 km auf dem Tageskilometerzähler.

    Dazu kommen noch die Kilometer von der Tankstelle zum Hotel gestern, 12 an der Zahl: Insgesamt bin ich mit einem Tank also 359,8 km gefahren. Wenn in der Flasche vom freundlichen Helfer 0,2 Liter waren, und ich gestern wirklich voll getankt habe, dann waren das 18,2 Liter. Mein Durchschnittsverbrauch bei der MT-09 sind 5,5 Liter/100 km. 18,2 Liter auf 359 km Strecke ergibt 5,07 Liter/100 km Verbrauch – das sind 0,43 weniger als sonst, obwohl ich den größten Teil völlig normal gefahren bin. 18,2 Liter bei 5,5 Liter/100 km Verbrauch sind 331 km Reichweite – da bin ich 29 km drüber. Fazit: Üfff! Und ohne das eher zufällige Wendemanöver am Puerto de Enix wäre es noch knapper bzw. unmöglich gewesen.

    Ich hoffe, dass morgen früh der Strom landesweit wieder hergestellt ist, und dass die Bevölkerung nicht anfängt, Benzin zu horten. Dann kann ich weiterfahren. Ansonsten wäre das hier auch OK für einen Ruhetag wider Willen. Bei einem Spaziergang ums Hotel sehe ich eine Wandklappe, da kommen die Abgase des Generators raus.

    Die Tür zum Keller steht offen, ich kann die Anlage sehen. Okay, das sollte eine Weile reichen, wenn sie voll ist, und nicht geplündert wird. Dafür sollte man wohl besser die Tür schließen.

    Wenn mitten in der Nacht der Strom zurück kommt, könnte ich vielleicht schon tanken. Es sind zwei Automatentankstellen direkt nebenan. Allerdings brauchen die nicht nur Strom, sondern auch ein Karten-Zahlungssystem, und das braucht funktionierende Kommunikation. Vielleicht muss auch ein Techniker kommen, und die Anlage wieder in Betrieb nehmen. Das Handynetz wackelt inzwischen deutlich. Die Infrastruktur dahinter hat ja auch keinen Strom, und wenn jetzt ganz Spanien abends nach Hause kommt, sieht, dass Festnetz nicht geht und dann über Mobilfunk Netflix gucken will, dann wird’s ganz schön eng. Und wenn jeder jeden anruft, am besten mit Video. Das haben sich wohl auch die Netzbetreiber gedacht, darum gehen seit 21:00 nur noch Notrufe. Leider erhält man null Information dazu. Cell Broadcast zur Katastrophenwarnung wäre doch dafür gut zu gebrauchen. Deswegen gibt’s diesen Bericht jetzt erst sehr spät.

    Richtig schön wäre jetzt eine Online-Karte, welche Tankstellen tatsächlich Benzin verkaufen. Wer sowas findet, bitte hier posten.

    Auf den Nachthimmel bin ich ebenfalls gespannt, so ganz ohne Lichtverschmutzung. Ansonsten bin ich offline und kann nur den Fernseher am Hotelzimmer nutzen – der kann aber nur spanisch, und da verstehe ich nur spanisch. Im Notfall rächt es sich doch, wenn man die Sprache kaum kann.

    Update 7:00 - das Handynetz ist wieder da, das Festnetz nicht. Laut BBC sind 90% des Stromnetzes in Spanien wieder in Betrieb. Im Fernsehen kommt nichts mehr zum Thema. Krise vorbei? Ich werde nach dem Frühstück die beiden nächsten Tankstellen anwandern, ob die Sprit verkaufen. Vielleicht gleich mit einer Flasche, damit ich auf dem Weg dorthin nicht schieben muss.